Madrapour - Merle, R: Madrapour by Robert Merle

Madrapour - Merle, R: Madrapour by Robert Merle

Autor:Robert Merle
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Aufbau Verlag GmbH
veröffentlicht: 2011-11-27T00:08:06+00:00


Das folgende Schweigen möchte keiner brechen. Ich nicht, weil ich neben der Stewardess sitze. Caramans, weil Blavatskis Rückzieher ihm Genugtuung verschafft hat. Pacaud, weil er zwischen der Sorge um Bouchoix’ Gesundheitszustand und der Nähe Michous, die rechts neben ihm sitzt und mit töchterlicher Zutraulichkeit ihre Hand in die seinige gelegt hat, hin und her gerissen ist. Mrs. Boyd, weil der Alptraum vorbei ist und sie an ihre wiedergewonnenen Annehmlichkeiten denken kann. Und Mrs. Banister, weil sie nur Augen für Manzoni hat, ohne ihn direkt anzusehen.

Gebrochen wird es schließlich, weil Manzoni Schwierigkeiten hat, die ihm zugedachte Rolle zu spielen. Er dürfte sich eigentlich nur mit Mrs. Banister beschäftigen, aber nach dem Verhör hat er erneut nur noch Augen für Michou. Seit das junge Mädchen ihn verlassen und sich Pacaud zugewandt hat, ist sie für ihn nicht mehr eine Nummer in einer Serie, sondern eine unbegreifliche Niederlage. Denn mit seinem kahlen Schädel, seinen hervorquellenden großen Augen, seinem kleinen Schmerbauch und seinem unförmigen Anzug dürfte Pacaud Michou eigentlich nicht so viele zärtliche Empfindungen einflößen, schon gar nicht nach Madame Edmondes Enthüllungen über seine Gewohnheiten. Und dennoch hat das Vögelchen unter dem Flügel des gerupften Vogels Zuflucht gesucht, als wollte es Beistand gegen ihn, Manzoni, erbitten, der ihr doch in ihrer Todesstunde seine innigsten Tröstungen hatte zuteil werden lassen.

Da ich, wie schon gesagt, schöne Männer nicht mag, vergesse ich die Angst des Augenblicks und mache mich ein wenig lustig. Manzoni ist durch Michous Undankbarkeit so demoralisiert, daß er nicht auf die messerscharfen Blicke aus den japanischen Augen von Mrs. Banister achtet. Dabei könnte man mit etwas Phantasie beinahe sehen, wie die Schnittwunden seine rechte Gesichtshälfte entstellen und wie das Blut tropfenweise die Wangen hinunterrinnt.

Der Bedauernswerte merkt nichts. Er weiß nicht, welche Hypothek an Groll sich in seiner unmittelbaren Nähe anhäuft und welche Rechnung er wird bezahlen müssen, wenn er sich endlich entschließt, seine Huldigungen den Hügeln darzubringen, wo sie von Anbeginn erwartet wurden.

Dort ist die Hölle los. Ein Hurrikan verwüstet die innere Landschaft Mrs. Banisters, entwurzelt die Bäume wie Karotten, hebt die Dächer ab und zerschmettert Michou auf dem Asphalt. Man bedenke, was Mrs. Banister, die geborene de Boitel, alles aufzuweisen hat gegenüber dieser jämmerlichen Michou, die platt wie eine Flunder ist, verkommen, verworfen, ungebildet und haltlos: Nicht nur die Geburt, die Eleganz, die Lebenserfahrung, sondern einen prachtvollen Körper, der von den Jahren verschont geblieben ist; einen Hintern, der ein Hintern ist und nicht ein knochiges kleines Etwas zum Hinsetzen; Brüste, die richtige Brüste sind und nicht leere, schlaffe Hautsäcke; schließlich einen Bauch, so weich und lieblich wie das molligste Kissen der Welt, nicht diese fipsige Kollektion von Organen, die an Verstopfung leiden …

Während Mrs. Banister dieses klägliche Häuflein Michou mit ihrem Messer aufspießt und in den Müll wirft, verläßt mich die Stewardess, um die Pantry in Ordnung zu bringen. Ihre Abwesenheit stürzt mich in unerträgliche Leere, gibt mir aber gleichzeitig den Blick für meine Mitreisenden wieder.

Ich erkenne sofort, daß wir unsere letzten Minuten des Schweigens verleben. Mit undurchdringlichem Gesicht, aber die Finger auf ihrem Rock leicht verkrampft, schleudert Mrs.



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